Lieferkettengesetz abschaffen – geht das?

| 19 Februar 2025

Im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sehen viele ein Bürokratie-Monster. Ließe es sich einfach abschaffen? Und was würde das bringen? 5 Argumente im Faktencheck.



Diskutiert wird schon lange, zur Bundestagswahl liegen die Forderungen erneut auf dem Tisch: In manchem Wahlprogramm heißt es, das Lieferkettengesetz gehöre abgeschafft – um Bürokratie abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Unsinn, meinen andere: Ohne Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz würden die meisten Regeln trotzdem gelten. Auch der Schutz von Menschenrechten wird ins Spiel gebracht. Was steckt hinter den fünf gängigsten Argumenten und Gegenargumenten?
Der Faktencheck. 

Argument 1: „Das Lieferkettengesetz macht nur Arbeit und bringt keine Vorteile“ 

Risikomanagement, Berichte, Audits: Das Lieferkettengesetz bringt eine ganze Reihe von Pflichten mit sich. „Es wird immer als ‚Bürokratiemonster‘ bezeichnet – und ja, es stimmt, es sind viele Vorgaben drin“, bestätigt Daniela Rak. Sie hat als Head of ESG beim Technologie- und Managed Service Provider Konica Minolta die LkSG-Vorgaben umgesetzt. „Aber es kann auch unterstützen, Einkauf und Governance deutlich zu verbessern.“ Denn wer seine Prozesse, Verträge und Lieferanten genauer unter die Lupe nimmt, findet nebenbei auch viele Potenziale zum Optimieren – und kann sich vergewissern, dass Zulieferer halten, was sie versprechen. So sichert das LkSG nicht nur Umweltschutz- und Menschenrechts-Standards, sondern kann auch die Qualität steigern. 
 

Argument 2: „LkSG abschaffen bedeutet weniger Bürokratie“ 

Tatsächlich würden vereinzelte Aufgaben wie die Erstellung von BAFA-Berichten zunächst entfallen, sollte das Lieferkettengesetz gekippt werden. An den zentralen Aufgaben – Risikoanalyse und -management sowie Maßnahmen zur Sicherung der Umwelt- und Sozialstandards – würde sich allerdings nichts ändern, erklärt Daniela Rak: „Wir haben eine europäische Richtlinie, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss – die CSDDD kommt sowieso. Und die ist noch umfangreicher und in einigen Teilen auch strenger als das bisherige deutsche Gesetz.“ Die sogenannte „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ betrachtet zum Beispiel nicht nur die Lieferkette vom Rohstoff bis zum Produkt (Upstream), sondern auch vom Produkt bis zu den Endverbraucher*innen (Downstream). 
 

Argument 3: „Das Lieferkettengesetz betrifft doch sowieso nur Großkonzerne“ 

Anfänglich galt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden, diese Grenze wurde auf 1.000 Mitarbeitende gesenkt. „Doch wenn ein Unternehmen selbst nicht unter das Gesetz fällt, heißt das nicht, dass es ignoriert werden kann“, gibt ESG-Expertin Rak zu bedenken. „Wer als Lieferant für größere Firmen infrage kommen will, muss dieselben Sorgfaltspflichten erfüllen – oder fliegt schlimmstenfalls aus der Kette.“ Der Effekt der Lieferkettenreaktion gilt beim LkSG wie auch bei anderen Gesetzen: Die Anforderungen werden entlang der gesamten Lieferkette von Unternehmen zu Unternehmen durchgereicht. Wer für Auftraggeber ein Risiko darstellt, ist klar im Nachteil. 
 

Argument 4: „Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz behandelt Unternehmen unfair“ 

Ständige Kontrollen und beim kleinsten Verstoß werde sofort der Liefervertrag gekündigt – in der Diskussion um das Lieferkettengesetz sehen manche die mittelständischen Unternehmen im Nachteil. „Das Gesetz sieht aber vor, bei Problemen eine gemeinsame Lösung zu finden“, gibt Daniela Rak zu bedenken. Audits, bei denen sich Geschäftspartner vor Ort ein eigenes Bild machen können, seien zwar ein mögliches Instrument. „Aber ganz ehrlich: Geschäftspartner werden sich nicht ständig gegenseitig vor Ort auditieren. Und niemand hat ein Interesse daran, ständig neue Lieferanten zu suchen.“ Im Geschäftsalltag geht die ESG-Expertin eher von pragmatischen Lösungen aus. 
 

Argument 5: „Verbraucher entscheiden sich auch ohne Gesetz gegen Ausbeutung“ 

Kund*innen würden bedenkliche Produkte gar nicht erst kaufen: Anstelle von Gesetzen würde der Markt selbst den Schutz von Umwelt und Menschenrechten gewährleisten, so die Versprechen einiger Politiker*innen. Daniela Rak vom Technologie- und Managed Service Provider Konica Minolta ist skeptisch. „Dass ich als Endverbraucherin in jedem Einzelfall prüfe, unter welchen Produktionsbedingungen ein T-Shirt oder ein Schokoriegel entstanden ist, halte ich für unrealistisch. Wer hat die Zeit und die Möglichkeiten, im Alleingang die ganze Lieferkette zu verfolgen?“ Außerdem spiele der Preis beim Einkaufen eine entscheidende Rolle. „Die Verantwortung liegt für mich bei den Unternehmen, nicht bei Einzelpersonen.“ 

Praxis-Beispiel: Gute Prozesse mit sauberen Lieferketten 

 

Ein mittelständisches Unternehmen, eingebunden in ein globales Netzwerk, mit hunderten Zulieferern und Kund*innen aus unterschiedlichsten Branchen: Auch für die Konica Minolta Business Solutions Deutschland GmbH hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eine hohe Relevanz. „Wir mussten uns faktisch schon ein Jahr vor dem eigentlichen Stichtag mit dem Lieferkettengesetz beschäftigen“, berichtet ESG-Managerin Daniela Rak: „Wir sind in der Upstream-Lieferkette von einigen Unternehmen, die bereits 2023 berichten mussten. So hatten wir unsere Prozesse schon früh vorbereitet.“ BAFA-Berichte mussten da zwar noch nicht abgegeben werden – allerdings wollte das Unternehmen aussagefähig gegenüber den Geschäftspartnern sein. Zum Vertriebsgebiet gehört auch Österreich, wo noch keine nationale Gesetzgebung vorliegt. „Aber auch hier haben wir genau hingesehen, denn Anforderungen an die Lieferketten und Sorgfaltspflichten sollen ja gerade über Grenzen hinweg wirken.“ Geholfen haben bei der Umsetzung unter anderem digitale Tools – das versteht sich für Daniela Rak von selbst: „Was wir Kund*innen anbieten, nutzen wir auch bei uns!“ 

Nachhaltigkeit bleibt im Fokus – ob mit oder ohne Lieferkettengesetz 

Die Diskussion um die Abschaffung des Lieferkettengesetzes mag Aufmerksamkeit erzeugen. Sie ändert allerdings nichts daran, dass Unternehmen Nachhaltigkeit und Menschenrechte im Blick behalten sollten. Denn ohnehin ist das LkSG wie ein Vorläufer der kommenden EU-Direktive CSDDD – und diese kommt garantiert. Vorausschauend handelt, wer sich jetzt schon darauf vorbereitet. 

Was ist das Lieferkettengesetz und seit wann gilt es?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wurde 2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Der damalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nannte es einen „Qualitätssprung zur Durchsetzung von Menschenrechten“. Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen sicherstellen, dass alle Lieferanten Sozial- und Umweltstandards einhalten. Neben Pflichten wie Risikomanagement, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie regelmäßigen Berichten regelt das Gesetz auch Sanktionen. 2023 ist das Gesetz in Deutschland in Kraft getreten. 

Wer ist vom LkSG betroffen?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt seit 1. Januar 2023 für Unternehmen mit Sitz in Deutschland sowie mindestens 3.000 Mitarbeitenden und seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden. 

Allerdings sollten auch kleinere Betriebe nicht wegsehen: Wer Zulieferer oder Geschäftspartner größerer Unternehmen ist, muss diesen möglicherweise Nachweise über die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards liefern. So wirkt das LkSG indirekt auf die gesamte Lieferkette. 

Was bedeutet ESG?

ESG steht für Environment, Social, Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). 
- Environment: z. B. Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Abfallvermeidung 
- Social: z. B. Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und gesellschaftliches Engagement 
- Governance: z. B. unternehmensinterne Prozesse, Transparenz, Compliance 

ESG-Kriterien spielen eine immer größere Rolle in der Bewertung von Unternehmen – sowohl bei Investoren als auch in der öffentlichen Wahrnehmung. 

Was ist die ESG-Berichtspflicht?

Die ESG-Berichtspflicht ist in der europäischen Richtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) verankert. Die Anforderungen ähneln denen des LkSG. Bestimmte Unternehmen müssen seit 2025 umfassend nichtfinanzielle Informationen zu ihren Umwelt- und Sozialauswirkungen sowie ihrer Unternehmensführung veröffentlichen. Das umfasst beispielsweise: 
- Klimaschutzmaßnahmen (CO₂-Bilanz) 
- Umgang mit Menschenrechten in der Lieferkette 
- Strategien für Diversität und Gleichstellung 
- Vorbeugung von Korruption und Bestechung 

Ziel ist auch hier, mehr Transparenz und Vergleichbarkeit bei Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen. 

Was steht in der EU-Richtline CSDDD?

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist eine 2024 in Kraft getretene EU-Richtlinie, die Unternehmen EU-weit dazu verpflichten soll, Menschenrechte, Arbeitsstandards und Umweltschutz in ihren Wertschöpfungsketten zu respektieren. 

Sie geht über das LkSG hinaus, indem sie nicht nur den „Upstream“-Teil (Zulieferer, Rohstoffgewinnung) betrachtet, sondern oft auch den „Downstream“-Teil (weitere Verarbeitung, Nutzung oder Entsorgung). 

Die Richtlinie schreibt verbindliche Sorgfaltspflichten vor, enthält Sanktionen für Verstöße und muss bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. 

Damit will die EU sicherstellen, dass weltweit tätige Unternehmen – egal ob aus der EU oder nicht – für ihre Lieferketten Verantwortung übernehmen, sobald sie Geschäfte innerhalb der EU machen. 

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